Ein Reisebericht unseres langjähringen Redakteurs und Buchautor Michael M. Fritz aus Dresden. Michael ist ein wahrer Tausendsasser. Immer auf Achse, immer unterwegs und immer auf der Suche nach dem besonderen Etwas in der kulinarischen Welt. Lesen Sie seinen wundervollen Bericht über den Besuch in einem der feinsten Restaurant im Trient.
Im September ist es in Trient noch angenehm warm, der Sommer hat seine große Hitze verloren, liegt aber längst nicht in den letzten Zügen, und an den Herbst muss man noch gar nicht denken. Die Luft ruht wie Seide auf der Haut – ideal, um beim Abendessen draußen zu sitzen. Vom Lo Scrigno aus hat man einen wunderbaren Blick auf das lebhafte, zum Süden gehörende Treiben, auf den dezent angestrahlten Dom, der mit seiner faszinierenden Gestalt den Platz davor dominiert.
Das Ristorante
Ich habe das Ristorante wegen seiner prominenten Lage und der exzellenten Bewertungen ausgewählt. Der Gast wird aufmerksam vom durchweg engagierten und jungen Team behandelt, alsbald mit Mineralwasser versorgt, das Brot wird originell in der Papiertüte gereicht, der empfohlene Rotwein ist ein Marzemino Maso Romani 2015, der hält, was die Bedienung versprochen hat. Ein großartiger Wein!
Auf dem Weg von Verona nach Rovereto wurde ich immer wieder geradezu leidenschaftlich auf diese Rebsorte aufmerksam gemacht, die man häufig im südlichen Trentino anbaut. Ich probierte mehrfach den Wein, der Maso Romani hier übertraf sie alle.
Das Lo Scrigno bietet eine große räumliche Vielfalt, neben den Plätzen auf der Straße sitzt man im Hof vor dem Gebäude unter Schirmen, die eine lauschige Atmosphäre vermitteln. Das Innere des Gebäudes öffnet sich zu mehreren stilsicher eingerichteten Nebengelassen.
Im Zentrum befindet sich die Bar, unmittelbar daran anschließend das Heiligtum: die Küche. Der Gast kann ohne weiteres dem Wirken darin folgen. Das Haus weist romanische Mauerreste auf, die so alt sind wie der Dom, die Fresken sind ebenfalls aus dem 15. und das Dekor aus dem 17. Jahrhundert.
Es ist ein unverwechselbares Flair, das auf den Gast einwirkt und seinen Besuch zu etwas Besonderem macht. Das Essen bekommt dadurch zweifellos eine andere Wertigkeit!
Ein kulinarischer Hochgenuss
Als Antipasto wähle ich eine Spezialität der Gegend, einen Tartar aus Carne Salada (deutsch: Salzfleisch). Es ist feingeschnittenes, rohes Rindfleisch, das gesalzen wurde – eine traditionelle Zubereitungsform, die auf das 16. Jahrhundert zurückgeht, als man keine andere Möglichkeit sah, Fleisch für längere Zeit haltbar zu machen.
Das Tartar wird mit Tahinisauce und kleinen Tomaten, den Datterini, und Kräutern serviert – ein formidabler Einstieg in die hiesige facettenreiche Küche. Als Primo entscheide ich mich für das cremige Blaubeerenrisotto mit Pfifferlingen, die in dieser Jahreszeit in den Wäldern zuhauf zu finden sind und auf den Märkten, zu großen Haufen aufgeschüttet, angeboten werden. Ein Fest für die Sinne, allein dieser Anblick tagsüber ist pittoresk genug, um sich ihm zu widmen, genauso wie dieser Primo meine ganze Aufmerksamkeit verlangt.
Mehr als Reis – Risotto
Das Risotto ist von leicht bläulicher Farbe, schmeckt ein wenig fruchtig, ganze Blaubeeren schälen sich aus der Masse heraus. Die Pfifferlinge, die den richtigen Garpunkt erreicht haben, bringen ihre eigene charakteristische Geschmacksnote mit. Es ist eine Freude, dieses Gericht zu genießen.
Damit sollte es aber für heute genug sein. Auf die anderen Gänge verzichte ich, wenn auch schweren Herzens, lasse mir aber für alle Fälle ein Rezept des Hauses zum Nachkochen mitgeben.
Es klingt auf Italienisch wie eine Melodie, deshalb sei das Gericht hier in der Landessprache wiedergegeben. Wer sich unsicher ist, kann ja nachschlagen:
Das Originalrezept aus dem Lo Scrigno del Duomo in Trient
SPAGHETTONE mATT FELICETTI, MATECATO AL GINEPRO, TRENTINGRANA E AFFUMICATO CON CAVIALE DI TROTA ED ERBA CIPOLLINA
Die Zutaten für vier Personen lauten wie folgt:
360g Felicetti-Spaghetti
88 g Trentingrana
55 g geräucherte Butter
12 g Wacholderbeeren
48 g Forellenkaviar
3 g Schnittlauch
240g Gemüsebrühe
Die Wacholderbeeren in einem Mörser behandeln und mit einem Schuss Olivenöl in einer Pfanne anbraten. Mit Gemüsebrühe ablöschen und die Spaghetti acht Minuten in kochendem Wasser garen lassen. Nachdem das Wasser abgegossen wurde, sollen die Spaghetti noch zwei Minuten auf dem Boden weitergaren.
Wenn die Hitze ausgeschaltet ist, den Trentingrana und die geräucherte Butter unterrühren. Die Spaghetti auf einem flachen Teller anrichten und mit Forellenkaviar und Schnittlauch bestreuen.
Dazu empfehle ich unbedingt den Marzemino Maso Romani aus dem Jahre 2015. Ich bin überzeugt, dieser Wein schmeckt daheim genauso gut wie im Lo Scrigno.
Piazza del Duomo, 29, 38122 Trento TN, Italien
Telefon:
+39 0461 220030
Reservierungen:
Es schließt um 23.00 Uhr.
Alle Speisen kann man auch mitnehmen.
Michael G. Fritz