Siena, Kleinod der Toskana mit Überraschungseffekt

Altstadt Siena

Die Stadt im Herzen der Toskana

An Olivenhainen und Weingütern vorbei führt der Weg mitten ins Herz der Toskana. Ein Besuch der Stadt Siena gehört für die meisten Touristen zum Pflichtprogramm, und trotzdem fühlt es sich etwas abseits vom Trubel noch immer an wie ein Geheimtipp. In den engen Gassen der insgesamt 17 Stadtbezirke (Contrade) hängen Frauen aus Fenstern Wäsche auf die Leinen, abends trifft man sich unten vor den Häusern gerne auf einen Plausch mit den Nachbarn. Im Prinzip leben die rund 55.000 Einwohner in einem riesigen Museum aus mittelalterlichen Ziegelgebäuden, Stadtmauern, Palästen, Türmen, Kathedralen, Plätzen – und mit einer ganz besonderen Tradition, die zweimal im Jahr Tausende von Besuchern in das Stadtzentrum zieht.

Siena Altstadt
Siena Italien
Siena Dom

Siena die Rivalin von Florenz

Vermutlich bereits von den Etruskern besiedelt und unter Kaiser Augustus als römische Kolonie gegründet, entwickelte sich Siena ab dem Mittelalter zu einer bedeutenden Handelsstadt und damit zur ewigen Rivalin des nur knapp 50 Kilometer entfernten Florenz. Kriege, Seuchen, Verschwörungen und blutige Familienfehden, die ganze Generationen verschlangen, haben Sienas Geschichte geprägt. Bis heute spielen die Contrade als territorial begrenzte Stadtbezirke eine bedeutende Rolle im Leben der Sienesen und sorgen für jene Authentizität, die Besuchern in Florenz manchmal fehlt.

Touristisch gibt es viel zu erkunden. Der Dom von Siena gehört neben dem Dom von Pisa mit dem Schiefen Turm und der Kathedrale von Florenz zu den drei weltberühmten Kirchen der Toskana. Das Wahrzeichen der Stadt ist ein atemberaubendes Beispiel gotischer Architektur aus weißem und schwarzem Marmor, dessen Grundstein Anfang des 13. Jahrhunderts gelegt wurde. Und ganz gleich, in welche Himmelsrichtung man von hier aus zur nächsten Sehenswürdigkeit startet, sollte man genügend Zeit für einen Einkaufsbummel in den zahlreichen Boutiquen und Geschäften auf dem Weg dorthin einplanen.

Dom Florenz
Altstadt Florenz
Eingang Dom Florenz

Kulinarisch ist Siena ein Volltreffer

Auch kulinarisch ist Siena ein Hauptgewinn. Die Verlockungen lauern vor allem in den schmalen Gassen, die sich wie ein Netz um die zentrale Piazza del Campo mit imposanten historischen Palazzi ziehen: Hier ein erfrischender Aperol Spritz, dort ein cremiges Gelato – oder vielleicht doch lieber eine kleine Köstlichkeit aus der Osteria? Allzeit zur Verführung bereit ist auch die lokale Spezialität Panforte, ein süßes Gebäck aus Mandeln und kandierten Früchten, das seinen Ursprung in der mittelalterlichen Bauernküche hat.

Siena Altstadt
Siena Italien
Siena Dom
Italienische Pasta
Italienischer Espresso
Frische Ravioli

La Dolce Vita in Siena

Es gibt also viele gute Gründe, die Stadttour für ein oder zwei Snacks zu unterbrechen, aber zum Glück noch mehr, die zusätzlichen Kalorien anschließend gleich wieder zu verbrennen. Etwa, indem man die mehr als 400 Stufen des Rathausturms „Torre del Mangia“ erklimmt, um die Stadt und ihre Umgebung aus der Vogelperspektive zu betrachten. In 102 Metern Tiefe verlieren sich die Menschen auf dem großen Platz und die Relationen, in denen die Erbauer im 14. Jahrhundert gedacht haben, werden deutlich.

Nachleben

Der Piazza del Campo

Zweimal im Jahr wird es auf der Piazza del Campo jedoch so voll, dass man plötzlich versteht, warum dieser Platz bis heute so riesig ist. Seit 1644 wird dort am 2. Juli und am 16. August der Palio di Siena ausgetragen – und damit eines der härtesten Pferderennen der Welt, in dem die 17 Stadtbezirke gegeneinander antreten. Jede Contrade, in die alle Bürger Sienas hineingeboren werden und bis zu ihrem Tod angehören, hat ein eigenes Wappentier als Symbol der Zugehörigkeit. Adler, Käuzchen, Raupe, Muschel, Schnecke und viele Geschöpfe mehr bilden einen farbenprächtigen sozialen Kitt in diesen Nachbarschaftsgemeinden, die ein gewisses Eigenleben führen.

Zentrum Siena
Piazza del Campo
Platz del Campo

Der Palio, der Höhepunkt im Jahr

Sie alle verbindet, dass sie das ganze Jahr auf den Palio hinfiebern. Die Jockeys müssen drei Runden auf dem 300 Meter langen äußeren Ring der Piazza absolvieren, die Breite der Bahn beträgt nur 7,5 Meter. Hierfür brauchen die Reiter auf ihren ungesattelten Pferden in der Regel etwa 100 Sekunden. Tausende von Menschen – Bewohner und Touristen – säumen die Rennstrecke und bevölkern sämtliche Balkone rund um den Platz, um ihre Favoriten anzufeuern. Das traditionsreiche Rennen lässt so manche Emotionen überkochen, denn am Ende geht es um die Ehre: Die Sieger dürfen sich und ihren Kiez anschließend zwei Wochen lang feiern.

Palio
Begeisterung Siena
Traditionelle Kostüme
Ochsenkarren
Traditioneller Umzug

Die Regeln sind kompliziert beim Palio

Die einzelnen Regeln sind kompliziert und die Ideengeschichte dahinter ist ebenso komplex wie sagenumwoben: Die Ursprünge des Palio sollen auf das Jahr 1200 zurückgehen, damals zunächst zur Bürgerbelustigung. In der heutigen Form entstand der Wettkampf im 16. Jahrhundert, als die unabhängige Republik Siena fiel. Die Contrade bildeten ihre waffenfähigen Männer nun selbst militärisch aus und der Palio wurde zu einer Art Übung für Kampfhandlungen. Im Lauf der Zeit sank die Anzahl der Contrade auf 17, jede davon trägt eine vielsagende Bezeichnung und auf ihrer Standarte das entsprechende Symbol.

Während das Rennen für Touristen ein farbenprächtiges Spektakel ist, bedeutet es für die Bewohner Sienas mehr als nur eine Tradition. Viele sagen sogar, der

Palio sei ihr Leben und nicht auf diese Tage reduziert. Wer nur in dieser Zeit seine eigene Contrade besucht, gilt gar abfällig als „Quattrogiornisti“ (Vier- Tägler). Für den echten Sienesen ist es wichtig, ganzjährig aktiv am Leben seines Viertels teilzunehmen und damit – ob bewusst oder unbewusst – zum ganz besonderen Flair dieser Stadt beizutragen.

Pferderennen Siena
Piazza del Campo
Pferderennen Palio
Gewinner Palio
Palio Pferderennen

Bild & Text: The Gourmet Manufactory Est. 2015

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