Es herrscht noch Ruhe in der Champagne
Im Frühling zeigt sich die historische Weinbauregion im Nordosten Frankreichs von ihrer natürlichen Seite. Abseits vom Sommertourismus wird der Besuch zu einem Fest für die Sinne.
Wer die Champagne nur aus dem Sommerurlaub kennt, kann sie im Frühjahr noch einmal ganz neu kennenlernen. Ab Ende März, wenn die Temperaturen milder werden, beginnt in den Weinbergen reges Treiben – bei Mensch und Natur. Der Winter hat zwar bereits Platz gemacht für die nächste Jahreszeit, aber noch schläft die Champagne. In ein paar Tagen wird sie sich räkeln und erwachen, wie jedes Jahr, und ein neuer Lebenszyklus beginnt.
Débourrement es geht wieder los
„Débourrement“ nennen die Winzer den Zeitpunkt des Austriebs, wenn die Knospen ihre Nasenspitze zeigen. Jetzt sieht man die Weinbauern immer häufiger beim Kontrollgang im knorrigen Gittergeflecht der Rebstöcke. Die Weinlese mag die schönste Zeit des Jahres sein, aber jetzt ist die Zeit, in der sich entscheidet, wie schön sie später wird.
Die Weinbausaison beginnt mit den wichtigsten Handgriffen: Überflüssige Knospen werden entfernt, Triebe geordnet und in ihrer Üppigkeit eingeschränkt. Seit der Römerzeit kennt man hier die Kulturtechniken, mit denen die Reben die schönsten Früchte hervorbringen statt vieler Triebe und Blätter. Ab dem 17. Jahrhundert wurde die Region dann für ihren Champagner weltberühmt und zum Namensgeber der exklusiven Tropfen.
Strenge Regeln in der Champagne
Der edle Schaumwein darf nur aus Trauben hergestellt werden, die nach streng festgelegten Regeln in dem Weinbaugebiet Champagne gelesen wurden. Für Champagner werden ausschließlich drei Rebsorten verwendet: Die roten Rebsorten Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Müllerrebe oder Schwarzriesling) sowie die weiße Rebsorte Chardonnay. Die im Wein gelöste Kohlensäure entsteht bei einer zweiten Gärung in der Flasche („méthode traditionnelle“ oder „méthode champenoise“).
Nicht alles ist hier fruchbar
Obwohl die ganze Welt bei Champagne an grüne Weinberge und malerische Weingüter denkt, hat der Name damit gar nichts zu tun. Weinberge machen nur einen kleinen Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus, konzentriert vor allem an Talflanken und anderen Berghängen. Der weitaus größte Teil ist Ackerland, das auch namengebend war (altfrz. Champs: Feld, von lateinisch campus). Deshalb wurde die Bezeichnung „Champagner“ im Herkunftsgebiet anfangs nicht gern gesehen, da der Begriff eigentlich einen unfruchtbaren Boden bezeichnete, der nur noch als Weidegrund für Schafe dient. Das Gebiet, in dem die Trauben für den Champagner angebaut werden dürfen, wurde erst 1927 festgelegt und umfasst rund 33.500 Hektar Fläche, die inzwischen fast vollständig bestockt ist. Die vier wichtigsten Anbauregionen sind Montagne de Reims, Vallée de la Marne, Côte des Blancs und Côte des Bar.
Hier ist es noch wie früher
Da auf den Straßen kaum Verkehr herrscht, kann man die abwechslungsreiche Landschaft mit dem Fahrrad besonders genießen. Etwa im Pays d’Othe in Aube en Champagne, wo rund dreihundert verschiedene Apfelsorten angebaut werden, die im Frühling einen herrlichen Anblick bieten, wenn sie blühen. Oder bei einem Spaziergang durch die kleinen Sträßchen des Städtchens Troyes, einer echten Schönheit aus dem Mittelalter mit einer Innenstadt in der Form eines Champagnerkorkens. Die pastellbunten Farben der Fachwerkhäuser wirken wie aus der Zeit gefallen und man fühlt sich in die Zeit der Champagnermärkte zurückversetzt, die inmitten von Kramläden und herrschaftlichen Häusern einst den Ruhm dieser Stadt begründeten.
Alles in allem ist eine Frühjahrsvisite in der Champagne wie eine Frischzellenkur für die Seele, bei der die Energie der aufblühenden Natur auf das eigene Immunsystem übertragen wird.
Bild & Text: The Gourmet Manufactory Est. 2015