Herzlich Willkommen im Café Otef Reim Tel Aviv
eine Geschichte von unserem Redakteur Michael M. Fritz
An einem Tag Ende Februar, der sich in Israel schon wie Frühsommer anfühlt, treffe ich Re‘ut Karp vor ihrem Café Otef Reim in einer Seitenstraße im Süden von Tel Aviv im Stadtteil Florentin. Er ist benannt nach einem griechischen Juden aus Thessaloniki, war ursprünglich von armen sephardischen Einwanderern bewohnt und wurde zwischenzeitlich zu einem Slum. Seit den 1990er Jahren zogen junge Leute und Künstler wegen der preiswerten Mieten hierher, wo es nun zahlreiche Ateliers, Restaurants und Märkte gibt.
Re’ut stammt aus dem nahe am Gazastreifen gelegenen Kibbuz Reim. Am 7. Oktober befand sie sich bei einer Freundin im Zentrum des Landes, als ihr Mann Dvir durch den Überfall ums Leben kam. Er war ein professioneller Chocolatier, dessen Rezepturen Re’ut auf dem Computer entdeckte. Die besten Chocolatiers des Landes produzieren nun seine Schokoladen, seine Pralinen, die in diesem Café angeboten werden, das für Hoffnung auf eine Wiedergeburt der Kibbuz-Gemeinschaft steht. Das Café mit Dvirs Schokolade, das von den durch Hamas-Massaker Vertriebenen bewirtschaftet wird, stellt ein leidenschaftliches Bekenntnis zum Leben dar.
Der Besuch des gastlichen Hauses ist, wie es heißt, ein typisch Tel Aviver Vergnügen, das von vielen Einheimischen gern wahrgenommen wird. Was man sofort beim Eintreten merkt: Es herrscht eine ebenso geschäftige wie freundlich-heitere Atmosphäre. Der Raum ist erfüllt von Gesprächen, der aufregende Geruch von Schokolade und Kaffee schlägt einem entgegen, wodurch man sich sofort willkommen fühlt. Man kann an Hochtischen im Inneren oder draußen auf einer Fläche Platz nehmen, die sich zu einem kleinen gepflegten Park hin mit Bäumen und flachen Buchsbaumhecken öffnet.
Die Pralinen mit dieser außergewöhnlichen Geschichte gibt es in den verschiedensten Geschmacksrichtungen, von Power Flower über Caramel bis zu Espresso, Waffle und Honey & Cinnamon – Genussmomente der besonderen Art.
Überall blühen in der Jahreszeit Anemonen, die in Israel als Zeichen für die Schönheit des Lebens gelten und an diesem Ort oft zu finden sind: auf Keramikschalen, T-Shirts, Stoffbeuteln und Trinkflaschen. Neben Kaffee, Sandwiches und Gebäck werden Spezialitäten angeboten, die in den nah am Gazastreifen gelegenen Kibbuzim hergestellt werden: Weine, Marmeladen, Oliven und Käse.
Wer Tel Aviv besucht, sollte unbedingt das gastliche Café in seine Unternehmungen einplanen. Wenn man Glück hat, kann man die Eigentümerin Re’ut Karp hinter der Theke antreffen und die Bekanntschaft dieser begeisternden, starken Frau machen.
Café Otef Reim, Tel Aviv
Wolfsonstraße 54
So-Do 7:30 – 19:30 Uhr
Fr 7:30 – 16:00 Uhr
Sa 9:00 – 19:30 Uhr